Veranschaulichung der freien Energie bei einer isochoren Zustandsänderung im TS-Diagramm

Am Beispiel der isochoren Erwärmung werden die Eigenschaften der freien Energie F = U - TS und der gebundenen Energie G = TS erläutert. Speziell wird gezeigt, wie man ihre Veränderung darstellen kann, wenn man vom US-Diagramm zum TS-Diagramm übergeht.

Inhaltsverzeichnis

Einordnung des Artikels

Weiter werden hier die Ergebnisse aus Die Berechnung der Entropie des idealen einatomigen Gases verwendet. An mathematischen Kenntnissen sind der Umgang mit mehrdimensionalen Funktionen (partielle Ableitungen, vollständiges Differential) und die Legendre-Transformation nötig. Eine ausreichende Einführung zu Letzterer findet sich unter Die eindimensionale Legendre-Transformation: Motivation, Definition und einfache Beispiele.

Das Beispiel der isochoren Zustandsänderung aus Die freie Energie und die gebundene Energie wird hier aufgegriffen und weitergeführt.

Einführung

In Eigenschaften der thermodynamischen Potentiale: Die freie Energie wurde die freie Energie F als die (negative) Legendre-Transformierte der inneren Energie U eingeführt. Dort wurden die entsprechenden Diagramme gezeigt, wie man aus der Funktion U = U(S, V) die Funktion F = F(T, V) ablesen kann. Zudem wurde für drei Spezialfälle die Änderung der inneren Energie berechnet:

  1. isotherme Zustandsänderung,
  2. isochore Zustandsänderung und
  3. adiabatische Zustandsänderung.

Hier soll am Beispiel der isochoren Zustandsänderung gezeigt werden, dass es eine weitere Darstellung gibt, in der sich die Eigenschaften der freien Energie sehr anschaulich darstellen lassen: Im TS-Diagramm können die Änderungen der gebundenen Energie, der freien Energie und der inneren Energie als Flächen dargestellt werden, an denen man leicht nachvollziehen kann, wie sich diese drei Größen während der isochoren Zustandsänderung verändern.

Bei der isothermen Zustandsänderung gelten die einfachen Beziehungen:

ΔF = ΔW, ΔG = ΔQ.

Bei jeder anderen Zustandsänderung gelten diese Gleichungen nicht mehr und es gibt zusätzlich einen Energieaustausch zwischen gebundener und freier Energie. Auch dieser Energieaustausch lässt sich im TS-Diagramm leicht veranschaulichen.

Die Untersuchungen werden zeigen:

Das Beispiel: isochore Erwärmung

Das Beispiel der isochoren Zustandsänderung aus Die freie Energie und die gebundene Energie wird hier zunächst wiederholt und dann weitergeführt. Die Zustandsänderung wird in Abbildung 1 im Detail erklärt: es wird solange Wärme zugeführt bis sich Temperatur T beziehungsweise Druck p verdoppeln.

In Abbildung 1 wird dargestellt:

Für die Energiebilanz ist vorerst relevant, dass keine mechanische Arbeit auftritt und somit die gesamte zugeführte Wärme in innere Energie umgewandelt wird. Später werden die freie und gebundene Energie diskutiert.

Abbildung 1: Darstellung der isochoren Erwärmung im pV-Diagramm. Dem idealen einatomigen Gas wird solange Wärme zugeführt bis sich Temperatur beziehungsweise Druck verdoppeln. Anfangs- und Endzustand sowie die Energiebilanz werden berechnet.Abbildung 1: Darstellung der isochoren Erwärmung im pV-Diagramm. Dem idealen einatomigen Gas wird solange Wärme zugeführt bis sich Temperatur beziehungsweise Druck verdoppeln. Anfangs- und Endzustand sowie die Energiebilanz werden berechnet.

Kurze Wiederholung: Motivation von freier und gebundener Energie

In Die freie Energie und die gebundene Energie wurde ausführlich die Motivation beschrieben, warum die freie und gebundene Energie eingeführt wurden.

Kurz zur Wiederholung: Der erste Hauptsatz der Thermodynamik in der Form dU = dQ + dW besagt, dass Energie in verschiedenen Erscheinungsformen auftreten kann. Kombiniert man den ersten mit dem zweiten Hauptsatz, so gewinnt man speziell die Aussage, wonach Arbeit und Wärme eine unterschiedliche Qualität besitzen. Arbeit kann nämlich in jede beliebige Energieform umgewandelt werden, bei Wärme ist dies nur eingeschränkt möglich.

Dieser qualitative Unterschied von Arbeit und Wärme hat zum Begriff der freien Energie F und der gebundenen Energie G bei isothermen Zustandsänderungen geführt: Die Zufuhr (oder Abfuhr) von Arbeit soll nur die freie Energie F verändern; die Zufuhr (oder Abfuhr) von Wärme soll nur die gebundene Energie G verändern:

dW = dF, dQ = dG.

Es wurde gezeigt, dass U = F + G mit

F = U - TS, G = TS

genau diese gesuchte Aufteilung der inneren Energie liefert. Allerdings muss man betonen, dass dW = dF und dQ = dG ausschließlich für isotherme Zustandsänderungen gelten; daher auch die Bezeichnung freie Energie der isothermen Zustandsänderung.

Zudem verbirgt sich hinter F = U - TS die Legendre-Transformation. Genauer: die freie Energie ist die negative Legendre-Transformierte der inneren Energie. Ausführlich wid dies in Eigenschaften der thermodynamischen Potentiale: Die freie Energie diskutiert.

Die Veränderung der freien und der gebundenen Energie im Beispiel

Um die freie und die gebundene Energie besser zu verstehen, ist es also naheliegend, ihre Veränderung bei der isochoren Erwärmung zu untersuchen; dies wird sowohl qualitativ als auch quantitativ erfolgen.

Insbesondere erwartet man ein besseres Verständnis dafür, warum die Gleichungen dW = dF und dQ = dG ausschließlich bei isothermen Zustandsänderungen gelten. Es ist dann naheliegend weiter zu fragen: Gibt es eine leicht verständliche Verallgemeinerung dieser Gleichungen von den isothermen Zustandsänderungen zu beliebigen Zustandsänderungen?

Zunächst kann man die Veränderung der freien beziehungsweise gebundenen Energie bei der isochoren Erwärmung leicht qualitativ diskutieren:

Abbildung 2 zeigt die Überlegungen, die das angesprochene schärfere Argument liefern:

Abbildung 2: Das Diagramm zeigt, wie die innere Energie von der Entropie abhängt. Eigentlich muss man U = U(S, V) betrachten. Da hier aber eine isochore Zustandsänderung betrachtet wird, ist die Volumen-Abhängigkeit irrelevant, Weiter werden die Funktionen für Entropie, freie Energie und gebundene Energie S(T, V), F(T, V) und G(T, V) angegeben: auch hier ist die Volumen-Abhängigkeit irrelevant.Abbildung 2: Das Diagramm zeigt, wie die innere Energie von der Entropie abhängt. Eigentlich muss man U = U(S, V) betrachten. Da hier aber eine isochore Zustandsänderung betrachtet wird, ist die Volumen-Abhängigkeit irrelevant, Weiter werden die Funktionen für Entropie, freie Energie und gebundene Energie S(T, V), F(T, V) und G(T, V) angegeben: auch hier ist die Volumen-Abhängigkeit irrelevant.

Gibt man jetzt die Funktionsterme für F(T, V) und G(T; V) explizit an, so kann man für das gegebene Beispiel die Veränderungen von F und G leicht berechnen. Denn es ist nur die T-Abhängigkeit relevant. Den Referenzzustand kann man beliebig wählen, ihn also auch in den Anfangszustand verlegen (die absoluten Werte von F und G sind wie bei jeder Energie irrelevant, es werden immer nur Energiedifferenzen berechnet).

Abbildung 3 zeigt die Berechnung aller relevanten Energiedifferenzen. Insbesonder erkennt man:

Abbildung 3: Explizite Berechnung der Entropiedifferenz und der Energiedifferenzen zwischen Anfangs- und Endzustand im diskutierten Beispiel.Abbildung 3: Explizite Berechnung der Entropiedifferenz und der Energiedifferenzen zwischen Anfangs- und Endzustand im diskutierten Beispiel.

Veranschaulichung der isochoren Zustandsänderung im US-Diagramm

In Abbildung 2 oben wurde die isochore Zustandsänderung bereits qualitativ im US-Diagramm dargestellt. Dies soll in Abbildung 4 quantitativ erfolgen, um die in Abbildung 3 berechneten Zahlenwerte nachvollziehen zu können. Gleichzeitig wird Abbildung 4 nochmals den Zusammenhang zwischen innerer und freier Energie verdeutlichen: Die Gleichung

F = U - TS

besagt, dass die freie Energie F die negative Legendre-Transformierte der inneren Energie U ist.

Abbildung 4: Die innere Energie als Funktion der Entropie U = U(S) für eine isochore Zustandsänderung.Abbildung 4: Die innere Energie als Funktion der Entropie U = U(S) für eine isochore Zustandsänderung.

In Die innere Energie als thermodynamisches Potential wurde gezeigt, dass in der Funktion U = U(S, V) sämtliche Information über das thermodynamische System enthalten ist. Für eine isochore Zustandsänderung reduziert sich diese Funktion auf U = U(S).

In Abbildung 4 links ist U = U(S) für die oben beschriebene isochore Zustandsänderung (rot) dargestellt, speziell erkennt man:

In Abbildung 4 mitte ist zusätzlich eingetragen:

In Abbildung 4 rechts wird jetzt erläutert, wie man aus dem Diagramm die Veränderung der freien und gebundenen Energie ablesen kann:

Abbildung 5 zeigt dann den Verlauf der inneren Energie U, der Entropie S, der gebundenen Energie G und der freien Energie F.

Abbildung 5: Innere Energie U, Entropie S, freien Energie F und gebundene Energie G als Funktion der Temperatur im Verlauf der isochoren Erwärmung. Aufgrund der unterschiedlichen Skalierung der Achsen, sind die Diagramme nur schwer miteinander zu vergleichen.Abbildung 5: Innere Energie U, Entropie S, freien Energie F und gebundene Energie G als Funktion der Temperatur im Verlauf der isochoren Erwärmung. Aufgrund der unterschiedlichen Skalierung der Achsen, sind die Diagramme nur schwer miteinander zu vergleichen.

In Abbildung 6 werden die inneren Energie U, die gebundenen Energie G und die freie Energie F als Funktion der Temperatur T in einem Diagramm dargestellt; man erkennt jetzt:

Abbildung 6: Innere Energie U, freien Energie F und gebundene Energie G als Funktion der Temperatur im Verlauf der isochoren Erwärmung. Jetzt werden die drei Funktionen in einem Diagramm dargestellt, um die Zahlenwerte besser vergleichen zu können und um die Beziehung U = F + G hervorzuheben.Abbildung 6: Innere Energie U, freien Energie F und gebundene Energie G als Funktion der Temperatur im Verlauf der isochoren Erwärmung. Jetzt werden die drei Funktionen in einem Diagramm dargestellt, um die Zahlenwerte besser vergleichen zu können und um die Beziehung U = F + G hervorzuheben.

Veranschaulichung der isochoren Zustandsänderung im TS-Diagramm

In Abbildung 2 oben und in Abbildung 4 wurde verwendet, dass die Temperatur T zugleich die Ableitung der inneren U nach der Entropie S ist (genauer die partielle Ableitung bei festgehaltenem Volumen V). Dies folgt aus

dU = TdS - pdV.

Aber wenn diese einfache Beziehung zwischen U und T besteht, ist es naheliegend, nicht die innere Energie U als Funktion von S, sondern die Temperatur T als Funktion von S darzustellen. Mathematisch gesehen bedeutet dies, dass man von allen Größen, die in Abbildung 2 oben und in Abbildung 4 dargestellt wurden, zu deren Ableitungen übergeht und diese darstellt. Und wenn in Abbildung 4 die Größen G = TS und F = U - TS als Strecken dargestellt wurden, so müssen sich diese Größen jetzt als Flächen charakterisieren lassen.

Abbildung 7 oben versucht diesen Gedankengang zu veranschaulichen:

dF = -SdT, dG = dQ - dF.

Daran erkennt man, wie sich die Gleichungen der isothermen Zustandsänderung, nämlich

dF = dW, dG = dQ

verändern, wenn eine isochore Zustandsänderung betrachtet wird: Es wird keine Arbeit verrichtet, daher ist dW = 0; aber dadurch dass sich die Temperatur um dT erhöht, wird der freien Energie F der Energiebetrag SdT entzogen. Und die gebundene Energie wächst einerseits um die zugeführte Wärme dQ und um den Energiebetrag SdT.

Abbildung 7: Änderungen von G im TS-DiagrammAbbildung 7: Änderungen von G im TS-Diagramm

In Abbildung 7 unten wird dann gezeigt, wie man bei einer endlichen Temperaturveränderung die Energien ΔF und ΔG als Flächen ablesen kann:

Somit kann man die Energien ΔQ, ΔG und -ΔF als Flächen im TS-Diagramm ablesen, sobald man die Isochore einträgt; die Darstellungen mit Hilfe der Tangenten (wie in Abbildung 2 und 4) sind jetzt nicht mehr nötig – die dort konstruierten Strecken werden jetzt zu Flächen.

Die Darstellung von Abbildung 7 unten wird in Abbildung 8 etwas deutlicher wiederholt und abstrakter beschrieben:

Abbildung 8: Die Bedeutung der Flächen unterhalb beziehungsweise links der Isochore im TS-DiagrammAbbildung 8: Die Bedeutung der Flächen unterhalb beziehungsweise links der Isochore im TS-Diagramm

Aufgabe:

Es ist f(x) eine differenzierbare Funktion und g(a) ihre Legendre-Transformierte. Dabei ist g(a) definiert durch:

g(a) = a·x(a) - f(x(a)),

wobei x(a) aus f'(x) = a gewonnen wird.

Zeigen Sie dass die Ableitungen von f(x) und g(a) Umkehrfunktionen zueinander sind.

Diskutieren Sie, wie man dann f(x) und g(a) als Flächen veranschaulichen kann.