Berechnung der thermodynamischen und statistischen Größen für das Modellsystem mit äquidistanten Energieniveaus

Für das Modellsystem mit unabhängigen Teilchen, die äquidistante Energieniveaus besitzen, werden die wichtigsten statistischen und thermodynamischen Größen berechnet.

Einordnung des Artikels

Einführung

Die bisherigen Untersuchungen zu den Mikro- und Makrozuständen sowie zur Boltzmann-Entropie waren – zumindest was die Vorgehensweise betrifft – möglichst allgemein gehalten. Allerdings wurde für viele Ergebnisse verwendet, dass das betrachtete System ein spezielles Modellsystem ist, dessen Energieniveaus äquidistant sind, so dass die Gesamtenergie E immer durch K Energiequanten der Größe E0, also

E = K·E0,

beschrieben werden kann. Das Modellsystem wurde ausführlich in Konzepte der Statistischen Mechanik: Mikrozustände und Makrozustände beschrieben.

Um deutlicher trennen zu können, welche Aussagen allgemeingültig – also unabhängig vom betrachteten Modell – und welche Aussagen nur für dieses Modell gelten, sollen in diesem Kapitel die relevanten statistischen und thermodynamischen Größen für das Modellsystem berechnet werden. Das Modellsystem wurde gerade aus dem Grund ausgewählt, dass man

Bei allen folgenden Formeln muss man beachten: Sie werden zwar meist als Gleichungen geschrieben, meist handelt es sich aber um Näherungen, die mit der Stirling-Approximation für Multinomialkoeffizienten und dem Übergang von diskreten zu kontinuierlichen Variablen gewonnen wurden. Letzteres bezieht sich zum Beispiel immer auf die Besetzungszahlen, die eigentlich ganzzahlig sind, aber zu Berechnung des Maximums des Multinomialkoeffizienten durch kontinuierliche Variable ersetzt wurden. Und daher müsste man eigentlich bei jeder Formel untersuchen, wie gut sie als Näherung eingesetzt werden kann. Dies erfolgt hier nicht; als Anhaltspunkt diene die Untersuchung in Konzepte der Statistischen Mechanik: Die Abschätzung der Anzahl der Mikrozustände pro Makrozustand, wo illustriert wurde, wie gut der Multinomialkoeffizient durch die Stirling-Formel angenähert wird.

Die Unterscheidung zwischen abgeschlossenen und geschlossenen Systemen

In der phänomenologischen Thermodynamik unterscheidet man zwischen abgeschlossenen Systemen und geschlossenen Systemen; damit ist folgendes gemeint:

  1. In einem abgeschlossenen System gibt es keinerlei Wechselwirkung mit der Umgebung, das heißt es gibt keinen Materieaustausch mit der Umgebung, keine Volumenänderung des Systems (daher kann an dem System keine mechanische Arbeit verrichtet werden) und es gibt keinen Austausch von Wärme mit der Umgebung. Erlaubt sind nur Veränderungen innerhalb des Systems, zum Beispiel kann das System in Teilsysteme unterteilt werden (die untereinander nicht im Gleichgewicht sind und daher unterschiedliche makroskopische Eigenschaften besitzen), oder chemische Reaktionen, durch die sich die Anzahl der Teilchen (innerhalb des Systems) verändern kann. Da hier Letztere nicht besprochen werden, sind für die weiteren Untersuchungen in einem abgeschlossenen System die Teilchenzahl N und die Gesamtenergie E = K · E0 konstant.
  2. In einem geschlossenen System gibt es keinen Materieaustausch mit der Umgebung, dagegen ist es erlaubt, dass über die Systemgrenze Wärme oder Arbeit übertragen wird. Daher sind das Volumen und die Gesamtenergie veränderlich, die Teilchenzahl wieder konstant (keine chemischen Reaktionen).

Überträgt man diese Begriffe auf das hier zu untersuchende Modellsystem, so gilt:

Vergleicht man allerdings die Vorgehensweise in der Theorie mit praktischen Untersuchungen, erkennt man schnell, dass abgeschlossene Systeme eher künstlich erscheinen: Bei theoretischen Untersuchungen fällt es leicht, die Gesamtenergie vorzugeben und davon auszugehen, dass sie nicht veränderbar ist. Dagegen wird man in praktischen Versuchen leichter eine intensive Größe wie die Temperatur konstant halten können – etwa indem man das System in Wärmekontakt mit einem großen Wärmebad bringt. Dabei wird das Wärmebad als sehr groß gegenüber dem zu untersuchenden System angenommen, so dass Veränderungen des Wärmebades vernachlässigt werden können. Durch die Möglichkeit des Wärmeaustausches wird das System zwar die Temperatur des Wärmebades annehmen, die Energie des Systems wird aber variabel sein.

Man kann dies auch umgekehrt lesen: Es ist Aufgabe der statistischen Mechanik zu untersuchen, welche Energieschwankungen in einem System auftreten, dessen Temperatur durch den Kontakt zum Wärmebad vorgegeben ist. Diese Untersuchungen erfolgen in einem späteren Kapitel, hier wurde die Unterscheidung zwischen abgeschlossenen und geschlossenen Systemen eingeführt, um die folgenden Gleichungen besser einordnen zu können.

Der Ausgangspunkt

Abbildung 1 zeigt eine Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse aus früheren Kapiteln, von denen hier ausgegangen wird. Die dort gezeigten Größen werden jetzt explizit für das Modellsystem berechnet.

Abbildung 1: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse: durch die Stirling-Näherung für den Multinomialkoeffizienten konnte derjenige Makrozustand charakterisiert werden, der durch die größte Anzahl an Mikrozuständen realisiert wird. Diese Überlegung führt zur Definition der Boltzmann-Entropie und der Vergleich mit der Thermodynamik zu einem Zusammenhang mit der Temperatur.Abbildung 1: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse: durch die Stirling-Näherung für den Multinomialkoeffizienten konnte derjenige Makrozustand charakterisiert werden, der durch die größte Anzahl an Mikrozuständen realisiert wird. Diese Überlegung führt zur Definition der Boltzmann-Entropie und der Vergleich mit der Thermodynamik zu einem Zusammenhang mit der Temperatur.

Die Zustandssumme, die mittlere Energie und die Temperatur

Die Zustandssumme

Bei der Berechnung des Makrozustandes, der durch die meisten Mikrozustände verwirklicht wird (Maximieren des Multinomialkoeffizienten), hat sich die Zustandssumme Z(β) nebenbei ergeben: sie kam in mehreren Gleichungen vor und wurde eigentlich nur als Abkürzung oder als Normierungsfaktor eingeführt. Wie die weiteren Untersuchungen zeigen werden, geht ihre Bedeutung aber weit über einen Normierungsfaktor hinaus – diese Bedeutung ist jetzt aber noch nicht absehbar und daher wird jetzt lediglich versucht, die Zustandssumme Z durch verschiedene Variablen darzustellen.

Die Zustandssumme besteht aus einer Summe von Gewichtungsfaktoren für die möglichen Energiezustände Ei eines Systems; der Faktor lautet, siehe Gleichung (4) in Abbildung 1 oder Gleichung (1) in Abbildung 2:

exp(-β Ei).

Für das Modellsystem gilt

Ei = i E0.

Und solange die Situation betrachtet wird, in der die Gesamtenergie E = K · E0 vorgegeben ist, ist eigentlich EK = K · E0 das höchste zugängliche Energieniveau. Wie aber unten zu sehen ist, lässt sich dann der Lagrange-Multiplikator β nicht explizit ausrechnen – man erkennt nur, dass er eindeutig durch die Gleichungen festgelegt werden, die den maximalen Multinomialkoeffizienten bestimmen.

Geht man allerdings in Gleichung (1) in Abbildung 2 in der Summe zu K → ∞ über, lässt sich β berechnen. Damit werden eigentlich verbotene Zustände in die Summation mit aufgenommen, da bei gegebener Gesamtenergie E = K · E0 nur die Energieniveaus 0, E0, ..., K · E0 angenommen werden können.

Man kann diese Vorgehensweise folgendermaßen rechtfertigen: Der Mittelwert der Energie, der sich durch K · E0 / N berechnet, bestimmt den Lagrange-Multiplikator β eindeutig. Ist dagegen umgekehrt β gegeben, so ist dadurch lediglich der Mittelwert der Energie vorgegeben, die Energie kann aber beliebige Werte annehmen – sehr hohe Werte natürlich nur mit sehr kleiner Wahrscheinlichkeit. Und diese Wahrscheinlichkeiten werden dann verwendet – siehe Gleichung (5) in Abbildung 1 –, um die Besetzungszahlen ni zu berechnen. Für sehr große Werte der Energie erhält man dann sehr kleine Zahlen, die dann sogar deutlich kleiner als 1 sind – also keine geeigneten Besetzungszahlen mehr darstellen.

Weiter ist die Berechnung des maximalen Multinomialkoeffizienten nur für sehr große N und K gültig (Stirling-Näherung!), daher wird der Unterschied zwischen endlichem K und dem Grenzübergang K → ∞ in der Zustandssumme nicht relevant sein.

Abbildung 2: Die Definition der Zustandssumme (1), ihre Berechnung im Grenzübergang K → ∞ (2) und die Darstellung der Energieniveaus der Moleküle und der Boltzmann-Faktoren.Abbildung 2: Die Definition der Zustandssumme (1), ihre Berechnung im Grenzübergang K → ∞ (2) und die Darstellung der Energieniveaus der Moleküle und der Boltzmann-Faktoren.

In Gleichung (2) in Abbildung 2 ist dann gezeigt, wie sich die Berechnung der Summe im Grenzübergang K → ∞ vereinfacht: man muss die unendliche geometrische Reihe auswerten. (Die nötigen Formeln und Erklärungen zur geometrischen Verteilung finden sich in Spezielle Wahrscheinlichkeitsverteilungen: die geometrische Verteilung.)

In Abbildung 2 unten wird versucht die "Bedeutung" der Zustandssumme darzustellen: Im Modellsystem kann jedes Molekül die äquidistanten Energieniveaus E0 · i, mit i = 0, 1, ..., annehmen. Jedes Energieniveau wird abgebildet auf den sogenannten Boltzmann-Faktor, der von β abhängt:

E0 · i → exp(-β E0 i).

Da β positiv ist, ergibt sich eine geometrische Folge mit dem Verhältnis aufeinanderfolgender Glieder

q = exp(-β E0).

Die Zustandssumme ist dann die Summe dieser Boltzmann-Faktoren; in Gleichung (2) sieht man, wie die Zustandssumme entweder als Funktion von β oder als Funktion von q ausgedrückt werden kann. Für die weiteren Diskussionen ist es hilfreich die Zustandssumme durch die Zahlen N und K auszudrücken. Dazu muss man sich den Term für die mittlere Energie näher ansehen.

Die mittlere Energie pro Teilchen

In Gleichung (6) in Abbildung 1 ist die Formel für die mittlere Energie pro Teilchen K · E0/N zu sehen, die durch μ abgekürzt wird (siehe Gleichung (1) in Abbildung 3). Auch hier erleichtert sich die Berechnung im Grenzübergang K → ∞. Denn man erkennt in der Summe auf der rechten Seite die Ableitung der geometrischen Reihe mit dem Boltzmann-Faktor q, siehe Gleichung (2) und (3).

Abbildung 3: Aus der Gleichung für die mittlere Energie pro Teilchen lassen sich der Boltzmann-Faktor q, der Lagrange-Multiplikator β und die Temperatur T als Funktion von N und K beziehungsweise μ berechnen.Abbildung 3: Aus der Gleichung für die mittlere Energie pro Teilchen lassen sich der Boltzmann-Faktor q, der Lagrange-Multiplikator β und die Temperatur T als Funktion von N und K beziehungsweise μ berechnen.

Die Temperatur

Aber dadurch, dass man die geometrische Reihe berechnen kann (indem man zu K → ∞ übergegangen ist), hat man einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der mittleren Energie μ und dem Boltzmann-Faktor q hergestellt, siehe Gleichung (4) in Abbildung 3. Man kann daraus:

Verschiedene Darstellungen der Zustandssumme

Da es einen einfachen Zusammenhang zwischen der Zustandssumme Z und dem Boltzmann-Faktor q gibt (siehe Gleichung (2) in Abbildung 2), kann man die Zustandssumme leicht als Funktion von N und K beziehungsweise von μ ausdrücken, siehe Gleichung (2) und (3) in Abbildung 4.

Abbildung 4: Die Darstellung der Zustandssumme als Funktion von β, von N und K beziehungsweise von der Energie pro Teilchen μ; ferner der Zusammenhang zwischen μ und der Ableitung der Zustandssumme.Abbildung 4: Die Darstellung der Zustandssumme als Funktion von β, von N und K beziehungsweise von der Energie pro Teilchen μ; ferner der Zusammenhang zwischen μ und der Ableitung der Zustandssumme.

Die Ableitung der Zustandssumme nach β führt zu einem Zusammenhang zwischen der Ableitung von ln Z(β) und der mittleren Energie μ, siehe Gleichung (4) in Abbildung 4.

Der Lagrange-Multiplikator α

Der Lagrange-Multiplikator α erfüllt Gleichung (3) in Abbildung 1 und kann ebenfalls auf verschiedene Arten ausgedrückt werden, siehe Abbildung 5.

Abbildung 5: Der Lagrange-Multiplikator α als Funktion von N und K.Abbildung 5: Der Lagrange-Multiplikator α als Funktion von N und K.

Aufgaben:

1. Die Gesamtenergie E = K · E0 kann zusammen mit der Teilchenzahl N ebenso verwendet werden, um die Größen q, Z, β und T auszudrücken. Geben Sie die entsprechenden Funktionen an.

2. Ist die Gesamtenergie E proportional zur Temperatur T?

Falls ja: Berechnen Sie den Proportionalitätsfaktor.

Falls nein: Begründen Sie, warum es keine Proportionalität gibt. Gibt es eine "asymptotische Proportionalität"?

Die Besetzungszahlen der Energieniveaus

Die Besetzungszahlen ni für den wahrscheinlichsten Makrozustand waren schon in Gleichung (5) in Abbildung 1 gezeigt; wie meist werden sie dort mit Hilfe des Parameters β ausgedrückt. Man beachte, dass diese theoretisch berechneten "Besetzungszahlen" keine ganzen Zahlen sein müssen. Denn zu ihrer Berechnung wurde der Multinomialkoeffizient in der vereinfachten Stirling-Näherung untersucht; genauer wurde das Maximum unter zwei Nebenbedingungen gesucht. Dazu musste aber eine Funktion der kontinuierlichen Variablen ni gebildet werden. Bei Teilchenzahlen in der Größenordnung 1025 spielt diese Frage keine Rolle. Und meist gibt man die Besetzungszahlen in der Form von relativen Häufigkeiten pi an, indem man sie durch die Gesamtzahl der Teilchen N teilt – an den relativen Häufigkeiten ist dann sowieso nicht mehr erkennbar, ob die ni ganzzahlig sind.

In Abbildung 6 werden diese relativen Häufigkeiten mit pi bezeichnet und in Gleichung (1) mit Hilfe des Boltzmann-Faktors q ausgedrückt. In dieser Darstellung erkennt man sofort die Verwandtschaft mit der geometrischen Verteilung. Es handelt sich nur um eine "Verwandtschaft", da die geometrische Verteilung üblicherweise für eine Zufallsvariable X definiert wird, die die Werte 1, 2, ... annehmen kann, nicht aber den Wert 0.

Das Paradebeispiel für eine geometrische Verteilung erhält man bei einem Glücksspiel, das man mit Wahrscheinlichkeit p gewinnt und mit Wahrscheinlichkeit q = 1 - p verliert. Fragt man jetzt bei mehreren Wiederholungen des Spiels nach der Anzahl der Spiele bis zum ersten Gewinn, so erhält man eine Zufallsvariable X, die geometrisch verteilt ist:

Die relativen Häufigkeiten pi im wahrscheinlichsten Makrozustand stimmen mit den Wahrscheinlichkeiten einer geometrischen Verteilung überein, wenn man beachtet, dass

Dass die Verteilung dennoch auf 1 normiert ist, wird durch die Zustandssumme erreicht, die hier als Normierungsfaktor dient.

Drückt man die Besetzungszahlen durch N und K aus, erhält man Gleichung (2) in Abbildung 6.

Abbildung 6: Darstellung der relativen Häufigkeiten p<sub>i</sub> der Besetzungszahlen für den wahrscheinlichsten Makrozustand: einmal in Abhängigkeit vom Boltzmann-Faktor q und einmal von N und K. Wie schnell diese relativen Häufigkeiten gegen null gehen, kann man mit Hilfe der Temperatur ausdrücken.Abbildung 6: Darstellung der relativen Häufigkeiten pi der Besetzungszahlen für den wahrscheinlichsten Makrozustand: einmal in Abhängigkeit vom Boltzmann-Faktor q und einmal von N und K. Wie schnell diese relativen Häufigkeiten gegen null gehen, kann man mit Hilfe der Temperatur ausdrücken.

Abbildung 7 zeigt zwei geometrische Verteilungen, links mit q = 1/2, rechts mit q = 5/6. Im ersten Fall gehen die pi sehr schnell gegen null, im zweiten Fall nur sehr langsam. Man kann dieses Verhalten sehr gut mit Hilfe der Temperatur interpretieren: Für kleine Werte von q ist fast nur der Grundzustand besetzt, das System friert ein. Für große Werte von q (nahe 1) nähert sie die Verteilung einer Gleichverteilung (die thermische Anregung sorgt dafür, dass alle Energieniveaus nahezu gleich besetzt sind).

Abbildung 7: Zwei verschiedene geometrische Verteilungen, links zu q=1/2, rechts zu q=5/6. (&quot;Geometrische&quot; Verteilung in dem Sinn, der oben besprochen wurde.)Abbildung 7: Zwei verschiedene geometrische Verteilungen, links zu q = 1/2, rechts zu q = 5/6. ("Geometrische" Verteilung in dem Sinn, der oben besprochen wurde.)

Die Boltzmann-Entropie

Wenn von der Entropie oder – oder besser – von der Boltzmann-Entropie redet, muss man zwei Bedeutungen unterscheiden:

  1. Sind Teilchenzahl N und Gesamtenergie E = K · E0 fest vorgegeben, kann man zu einem Makrozustand, der durch die Besetzungszahlen n0, n1, ..., nK charakterisiert ist, die Boltzmann-Entropie über die Anzahl der Mikrozustände berechnen, die den Makrozustand realisieren. Diese Anzahl ist durch den Multinomialkoeffizienten (1) in Abbildung 1 gegeben; die Boltzmann-Entropie SB wird dann durch Gleichung (7) in Abbildung 1 berechnet. Die Boltzmann-Entropie ist hier eine Funktion des Makrozustandes: SB = SB (n0, n1, ..., nK).
  2. Man kann zu gegebenem N und E = K · E0 den wahrscheinlichsten Makrozustand bestimmen und für diesen die Boltzmann-Entropie SB berechnen. Der wahrscheinlichste Makrozustand sollte mit dem Gleichgewichtszustand der phänomenologischen Thermodynamik übereinstimmen (zumindest für große N und K). Jetzt kann man die Entropie als Funktion von N und E (oder N und K) auffassen: SB = SB (N, K).

Die Berechnung der Entropie als Funktion des Makrozustandes

Der Makrozustand wird eigentlich durch die Besetzungszahlen n0, n1, ..., nK beschrieben. Wie oben argumentiert wurde, sind weniger die Besetzungszahlen relevant, sondern die Wahrscheinlichkeiten p0, p1, ..., pK, mit denen die Energieniveaus besetzt sind (siehe Abbildung 6 und die zugehörige Diskussion). Man wird daher versuchen, die Entropie nicht über den Multinomialkoeffizienten sondern über diese Wahrscheinlichkeiten zu berechnen (und dabei wieder die Stirling-Näherung verwenden, da die auftretenden Zahlen sehr groß sind). Abbildung 8 zeigt, wie man die Boltzmann-Entropie mit Hilfe der Wahrscheinlichkeiten berechnet.

Abbildung 8: Der Multinomialkoeffizient in (1) kann in der Stirling-Näherung durch die Besetzungs-Wahrscheinlichkeiten p<sub>i</sub> ausgedrückt werden. Damit lässt sich zu einem beliebigen Makrozustand die Boltzmann-Entropie berechnen, indem man aus den Besetzungszahlen n<sub>i</sub> die Wahrscheinlichkeiten p<sub>i</sub> berechnet, Gleichung (2).Abbildung 8: Der Multinomialkoeffizient in (1) kann in der Stirling-Näherung durch die Besetzungs-Wahrscheinlichkeiten pi ausgedrückt werden. Damit lässt sich zu einem beliebigen Makrozustand die Boltzmann-Entropie berechnen, indem man aus den Besetzungszahlen ni die Wahrscheinlichkeiten pi berechnet, Gleichung (2).

Die Berechnung der Entropie des wahrscheinlichsten Makrozustandes

In Gleichung (8) in Abbildung 1 wurden die Besetzungszahlen für den wahrscheinlichsten Makrozustand in den Ausdruck für die Boltzmann-Entropie eingesetzt; werden jetzt α, β und E als Funktion von N und K dargestellt, erhält man auch die Boltzmann-Entropie als Funktion von N und K, siehe Gleichung (1) in Abbildung 9.

Ersetzt man K durch E / E0, so erhält man die Entropie als Funktion von N und E, siehe Gleichung (2) in Abbildung 9. Man sollte die Gleichung folgendermaßen lesen: Zu gegebener Teilchenzahl N und Gesamtenergie E wird die Entropie des wahrscheinlichsten Makrozustandes berechnet – somit ist es der größte Wert, den die Entropie als Funktion des Makrozustandes (im Sinne des vorherigen Abschnittes) annehmen kann. In der phänomenologischen Thermodynamik würde man dies als den Gleichgewichtszustand bezeichnen.

Wenn man den Funktionsterm, Gleichung (1) oder (2), für die Berechnung der Entropie bei "kleinen" Anzahlen N und K einsetzt, sollte man zwei Punkte bedenken:

  1. Die Herleitung der Formel verwendet die vereinfachte Stirling-Näherung; es werden nicht die exakten Multinomialkoeffizienten berechnet.
  2. In die Berechnung der Entropie gehen die Besetzungszahlen nach Gleichung (5) in Abbildung 1 ein. Die Besetzungszahlen ni müssen nicht ganzzahlig sein. Daher kann es sein, dass jeder Mikrozustand zu Besetzungszahlen führt, die davon abweichen. Aber dann ist die tatsächliche Entropie kleiner als die mit Gleichung (1) oder (2) in Abbildung 9 berechnete Entropie. (Beispiele dazu werden in den Simulationen folgen.)

Abbildung 9: Die Boltzmann-Entropie als Funktion von N und K beziehungsweise N und E.Abbildung 9: Die Boltzmann-Entropie als Funktion von N und K beziehungsweise N und E.

Bildet man in Gleichung (2) die Ableitung nach der Energie E, so erhält man den Term für β aus Gleichung (7) in Abbildung 3 (man muss dort lediglich E anstelle von K oder μ als Variable einführen). Diese Gleichung bietet somit die Möglichkeit, die Temperatur in der statistische Mechanik zu definieren, ohne auf die phänomenologische Thermodynamik zurückzugreifen. Das Vorgehen ist dann ganz ähnlich wie in der Thermodynamik: Sie verwendet ein gewisses Vorverständnis der Temperatur (jeder weiß, dass man die Temperatur am Thermometer ablesen kann), die eindeutige Definition der Temperatur kann aber erst erfolgen, wenn die Zustandsgrößen innere Energie und Entropie definiert sind.

Die freie Energie

In der Thermodynamik wird die freie Energie F definiert durch innere Energie U, Temperatur T und Entropie S:

F = U - TS.

Ihre Relevanz – die hier nicht ausführlich besprochen wird – besteht darin, dass bei isothermen, reversibel geführten Prozessen die zugeführte oder gewonnene Arbeit mit der Änderung der freien Energie übereinstimmt.

Da im Modellsystem keine mechanische Arbeit vorkommt, wird die freie Energie hier aus einem anderen Grund aufgeführt. Drückt man die Gesamtenergie (die für das Modellsystem in der Thermodynamik gleich der inneren Energie U ist), die Temperatur und die Entropie durch N und K aus, erhält man Gleichung (1) in Abbildung 10. Man kann darin auch die Zustandssumme erkennen und die freie Energie wie in Gleichung (2) schreiben. Dieses Ergebnis soll hier noch nicht diskutiert werden, aber es zeigt, dass die Zustandssumme mehr ist als ein Normierungsfaktor und den Brückenschlag zur phänomenologischen Thermodynamik ermöglicht.

Abbildung 10: Die freie als Funktion von N und K und ihr Zusammenhang mit Zustandssumme Z und Temperatur T.Abbildung 10: Die freie als Funktion von N und K und ihr Zusammenhang mit Zustandssumme Z und Temperatur T.