Eine kleine Anleitung zum Selbststudium
Kleiner Ratgeber mit methodischen Hinweisen zum Selbststudium.
Einführung
Selbststudium erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Motivation und eine planvolle Vorgehensweise, die gerade dadurch, dass man sie selbst bestimmen kann und nicht von einem erfahrenen Lehrmeister vorgegeben wird, auf viele Abwege führen kann. Es sollen einige Tips gegeben werden, wie man erfolgreich neues Wissen erwerben und schwierige Zusammenhänge verstehen kann.
Als Leser soll man aber stets bedenken: Die hier empfohlenen Arbeits-, Lerntechniken und Vorgehensweisen beruhen großteils auf Erfahrungen des Autors und sind keineswegs "wissenschaftlich belegt".
Die wichtigsten Ratschläge kurz gefasst
Man kann die wichtigsten Ratschläge kurz zusammenfassen – einige werden im Anschluss ausführlicher erläutert:
- Versuchen Sie immer zuerst, sich einen Überblick zu verschaffen, was Ihnen in der nächsten Etappe bevorsteht (Inhaltsangabe, Einführung und Zusammenfassung studieren) und versuchen Sie dies in einen größeren Zusammenhang einzuordnen.
- Versuchen Sie jedes Detail zu verstehen. Dies ist die eigentlich harte Arbeit und erfordert hohe Motivation.
- Letzteres wird erleichtert, indem man Verbindungen herstellt zu bereits vertrauten Sachverhalten. Formulieren Sie für sich klar und deutlich: Worin besteht der Zusammenhang, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu bekannten Tatsachen gibt es?
- Überlegen Sie sich eine Anwendung, in der Sie den neuen Inhalte ausprobieren und sich selbst testen können, wie weit ihr Verständnis fortgeschritten ist.
- Versuchen sie nicht stur linear vorzugehen, sondern denken Sie in Rückkopplungen: Jedes gründlich verstandene Detail erlaubt eine bessere Einordnung in den Gesamtzusammenhang, Erfolge in der Anwendung helfen, die Theorie besser zu verstehen, jede aufgedeckte Verbindung erlaubt Analogien einzusetzen und so weiter.
- Machen Sie sich keinen Zeitplan: Unter Druck zu arbeiten führt selten zu Lernerfolgen und kann jede Motivation abtöten. Lassen Sie sich lieber von Ihrer Neugierde und von Fragen leiten, die sich von selbst einstellen.
Einige Ratschläge ausführlicher erläutert
Top to down oder down to top?
Bei jedem neuen Gebiet, in das man sich einarbeiten möchte, stellt sich die Frage: Soll man zuerst versuchen, möglichst viele Details zu erfassen und erst später alles in einen größeren Zusammenhang einzuordnen oder soll man umgekehrt vorgehen?
Da es uns leicht fällt, Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven und auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus zu betrachten, kann man eindeutig sagen: Man soll immer zuerst versuchen, Neues top to down zu erfassen. Ebenso soll man vorgehen, wenn man einen Überblick über den zu lernenden Stoff verschafft: Immer zuerst den Stoff grob gliedern und überlegen, wie sich die Bestandteile zu einem Ganzen fügen.
Und zudem sollte es Ihnen auf der top-Ebene leichter fallen zu formulieren, ob und welche Relevanz das Thema für Sie hat. Diese Relevanz sollten Sie immer für sich möglichst klar formulieren, bevor Sie zu den Details übergehen.
Woher nimmt man die nötige Motivation?
Oben wurde gefordert, "jedes Detail zu verstehen". Dazu ist ein gehöriges Maß an Motivation nötig und Motivations-Quellen wie Prüfungsvorbereitung oder allgemeines Interesse versiegen meist nach kurzer Zeit. Woher soll man dann die Motivation nehmen?
Wenn Sie den ersten Punkt ernst genommen haben und Sie sich auf einer abstrakten Ebene – oder auch nur oberflächlich – einem neuen Thema genähert haben, werden Sie feststellen: Sofern das Thema für Sie relevant ist, werden sich automatisch Fragen einstellen, die das Thema tiefer ergründen oder auch nur wiedergeben wollen. Verdrängen Sie diese Fragen nicht, sondern gehen Sie ihnen nach! Versuchen Sie dabei immer ein ausgewogenes Verhältnis herzustellen zwischen dem Studium ihrer aktuellen Quelle, und den sich aufdrängenden Fragen, die Sie anhand der Quelle zu beantworten versuchen.
Derartige Fragen resultieren – vermutlich – aus einer unbewussten Beschäftigung mit den neuen Inhalten und bereiten in unserem Gehirn Verknüpfungen vor, um sie in unser bereits vorhandenes Wissen und Können einzubetten. Dieser Vorgang lässt sich wohl kaum erzwingen, kann aber unterstützt werden.
Sie werden dann auch feststellen: Nähert man sich einer Quelle mit diesen konkreten (besser: brennenden) Fragen, erzielt man tieferes Verständnis als wenn man nur liest, um die Inhalte zur Kenntnis zu nehmen.
Non multa, sed multum!
Das Sprichwort "non multa, sed multum!" wird meist übersetzt mit: "nicht vielerlei, sondern viel!" Ausführlicher könnte man sagen: Es ist besser, eine Sache gründlich zu studieren als sich viele Sachen oberflächlich anzueignen. Diese Einstellung sollten Sie an den Tag legen, wenn Sie obiges "Versuchen Sie jedes Detail zu verstehen" umsetzen.
Gerade wer nur selten eigenverantwortlich gelernt hat und sich auf Anleitung anderer verlassen hat, wird dies für Zeitverschwendung halten, da es noch so viel Anderes zu lernen gibt. Sie werden aber bald merken: Hat man sich einige Dinge gründlich erarbeitet, kann man das Gelernte auf andere Inhalte übertragen und kommt dann um so schneller voran.
Verbindungen knüpfen
Eine herausragende Fähigkeit des Menschen ist es, aus einem treffenden Beispiel die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten herauszufiltern. Dies beruht darauf, dass wir sehr gut in Analogien denken können und derartige Abstraktionsprozesse schon mit ähnlichen Fällen durchgespielt haben.
Diese Fähigkeit können Sie nutzen, indem Sie stets versuchen, Verbindungen zwischen neuen und bereits bekannten Inhalten herzustellen. Dabei ist keine vollständige Übereinstimmung nötig; viel wichtiger ist es klar zu formulieren: worin bestehen die Gemeinsamkeiten und inwiefern bestehen Unterschiede?
Sie werden dann auch merken: je intensiver Sie sich mit einem Thema beschäftigt haben, um so leichter fällt es Ihnen derartige Beziehungen herzustellen und Ihr bereits bestehendes Wissen und Können einzusetzen.
Eigene Projekte starten
Die einfachste Methode gründliches Lernen zu fördern und Motivation zu gewinnen, ist es ein kleines eigenes Projekt zu starten, das die zu lernenden Inhalte umsetzt. Überlegen Sie sich eine kleine Anwendung, die für Sie selber später von Nutzen sein kann.
Bei der Umsetzung des Gelernten in einem Projekt haben Sie sofort die Rückkopplung, ob Sie die Inhalte schon ausreichend verstanden haben und falls nicht, werden Ihnen genügend Anreize gegeben, um zur Theorie zurückzukehren und diese – jetzt mit einer konkreten Fragestellung – gründlich unter die Lupe zu nehmen.
Lesen im eigenen Gedächtnis
Viele Ratgeber zum Thema Lernen – und sicher auch die bisherigen Ausführungen – vermitteln, dass man beim Lernen möglichst aktiv sein soll und dass mehr Aufwand automatisch zu mehr Erfolg führt. Jeder kennt aber das Gefühl, dass man einen Punkt erreicht, an dem man anscheinend keinen Fortschritt mehr erzielen kann. Hier ist es wichtig nicht mit noch mehr Aktionismus vorzugehen. Oft ist das genaue Gegenteil dienlicher: Warum nicht einfach alle Bücher, Skripten und dergleichen weglegen und stattdessen "im eigenen Gedächtnis lesen"? Das soll heißen, man soll sich immer wieder vergewissern, was man alles aufgenommen hat, ob man es in einer logischen Reihenfolge anordnen und die Inhalte ohne äußere Hilfe wiedergeben kann. Wenn man dies nicht kann, sollte man lieber zurückgehen und sich fragen, welche Lücken zu schließen sind. Dies ist allemal hilfreicher als zu versuchen wieder Neues aufzunehmen.
Und wenn man sich auf eine Prüfung vorbereitet, sollte man sich in die Prüfungssituation hineinversetzen: Welche Fragen könnte ein Prüfer stellen? Und wie würde ich darauf antworten?
Und man darf nicht verschweigen, dass hier ein gesundes Maß an Selbstkritik nötig ist: Man muss auch in der Lage sein, sich einzugestehen, dass man manche Dinge nicht wiedergeben kann und nicht verstanden hat. Aber dies sollte um so mehr Anreiz sein, sich gründlicher mit der Thematik zu beschäftigen.