Approximation von Funktionen durch Taylor-Polynome mit beliebigem Entwicklungspunkt
An zwei einfachen Beispielen (Logarithmusfunktion und Wurzelfunktion) wird demonstriert, wie man zu einer gegeben Funktion f(x) das Taylor-Polynom berechnet: Dazu wird der Ansatz verallgemeinert, wie zum Entwicklungspunkt 0 aus den Ableitungen von f(x) die Koeffizienten des Taylor-Polynoms berechnet werden.
- Einordnung des Artikels
- Einführung
- Motivation des Ansatzes zur Berechnung des Taylor-Polynoms zu einem beliebigen Entwicklungspunkt
- Zusammenfassung: Berechnung des Taylor-Polynoms mit Entwicklungspunkt null
- Der Ansatz für ein Taylor-Polynom zu einem beliebigen Entwicklungspunkt
- Beispiele
- Das Taylor-Polynom der Logarithmusfunktion
- Berechnung des Taylor-Polynoms des natürlichen Logarithmus
- Graphische Darstellung der Taylor-Polynome
- Das Taylor-Polynom der Wurzelfunktion
- Berechnung des Taylor-Polynoms
- Darstellung der Taylor-Polynome
- Aufgaben
- Die Berechnung von ln 2
- Aufgaben zur Wurzelfunktion
- Die Funktion x → 1/x
- Zusammenfassung und Ausblick
Einordnung des Artikels
- Ausgewählte Kapitel der Mathematik (für Programmierer, Informatiker, Ingenieure und Naturwissenschaftler)
- Spezielle Kapitel der Analysis
- Approximation von Funktionen durch Taylor-Polynome: Motivation und einfache Beispiele
- Approximation von Funktionen durch Taylor-Polynome mit beliebigem Entwicklungspunkt
- Spezielle Kapitel der Analysis
Der Artikel setzt elementare Kenntnisse der Differentialrechnung und über die Fakultät voraus.
Einführung
In Approximation von Funktionen durch Taylor-Polynome: Motivation und einfache Beispiele wurde gezeigt, wie das Taylor-Polynom zum Entwicklungspunkt x0 = 0 berechnet wird.
Dieser Ansatz kann leicht für eine beliebige reelle Zahl x0 verallgemeinert werden. Man benötigt dies, wenn der Funktionswert und die Werte der ersten n Ableitungen einer Funktion an der Stelle x0 bekannt sind. Das Taylor-Polynom wird dann nahezu identisch wie im Fall "Entwicklungspunkt x0 = 0" berechnet.
Demonstriert wird dies an den beiden Beispielen Logarithmusfunktion und Wurzelfunktion. Bei beiden Funktionen sind für x0 = 1 der Funktionswert und die ersten n Ableitungen rationale Zahlen und können somit in endlich vielen Rechenschritten berechnet werden. Das Taylor-Polynom liefert dann eine einfache Möglichkeit, Logarithmen und Wurzeln für andere x-Werte näherungsweise zu berechnen.
Motivation des Ansatzes zur Berechnung des Taylor-Polynoms zu einem beliebigen Entwicklungspunkt
Zusammenfassung: Berechnung des Taylor-Polynoms mit Entwicklungspunkt null
Abbildung 1 zeigt den Ansatz, wie zu einer gegebenen Funktion f(x) das Taylor-Polynom zum Entwicklungspunkt x0 = 0 berechnet wird. Die einzelnen Schritte werden nicht erläutert, da sie in Approximation von Funktionen durch Taylor-Polynome: Motivation und einfache Beispiele ausführlich diskutiert wurden.
- Die Funktion f(x) muss in x0 = 0 mindestens n-mal differenzierbar sein (siehe Gleichung (1) in Abbildung 1).
- Der Ansatz erfolgt mit Hilfe ein Polynoms pn(x) vom Grad n (siehe Gleichung (2) in Abbildung 1).
- Gefordert wird nun, dass am Entwicklungspunkt x0 = 0 sowohl die Funktionswerte als auch die Werte der ersten n Ableitungen der Funktion f(x) und des Polynoms pn(x) übereinstimmen (siehe Gleichung (3, 4) in Abbildung 1).
Aus diesen Gleichheiten kann man sukzessive die Koeffizienten des Polynoms pn(x) berechnen (siehe Gleichung (5) in Abbildung 1). Dadurch erhält man das Polynom pn(x), das auf allen reellen Zahlen definiert ist (siehe Gleichung (6) beziehungsweise (7) in Abbildung 1).
Der Ansatz für ein Taylor-Polynom zu einem beliebigen Entwicklungspunkt
Die Beispiele zum Taylor-Polynom aus Approximation von Funktionen durch Taylor-Polynome: Motivation und einfache Beispiele haben gezeigt, dass man das Taylor-Polynom (nach Gleichung (6) beziehungsweise (7) in Abbildung 1) folgendermaßen lesen kann:
- Am Entwicklungspunkt x0 = 0 stimmen die Funktion f(x) und das Taylor-Polynom pn im Funktionswert und in den ersten n Ableitungen überein (Steigung, Krümmungsverhalten und so weiter). Dies waren gerade die Anforderungen an das Taylor-Polynom.
- Man kann daher erwarten, dass sich in der Umgebung des Entwicklungspunktes mit Hilfe des Taylor-Polynoms eine gute Näherung für die Funktion f(x) berechnen lässt. Das heißt je näher x an den Entwicklungspunkt heranrückt, desto kleiner sollte die Differenz |f(x) - pn(x)| werden. (Die Beispiele aus Approximation von Funktionen durch Taylor-Polynome: Motivation und einfache Beispiele konnten dies quantitativ bestätigen.)
- Erhöht man die Ordnung n der Approximation, dann wird der Bereich um den Entwicklungspunkt größer, in dem das Taylor-Polynom die Funktion f(x) approximiert.
Es ist jetzt naheliegend zu fragen:
Wie kann man anstelle von x0 = 0 einen beliebigen reellen Entwicklungspunkt x0 wählen, so dass die zuletzt getroffenen Feststellungen für dieses x0 gelten?
Diese Frage ist naheliegend, da bisher an keiner Stelle die besondere Bedeutung von x0 = 0 verwendet wurde. Die Beispiele aus Approximation von Funktionen durch Taylor-Polynome: Motivation und einfache Beispiele verwenden lediglich, dass man bei x0 = 0 den Funktionswert f(x0) sowie die höheren Ableitungen elementar berechnen kann. Denn wenn man eine möglichst einfache Näherung für eine transzendente Zahl berechnen möchte, soll keine transzendente Zahl in den Werten f(x0) oder f(i)(x0) enthalten sein.
Die naheliegende Verallgemeinerung der Berechnung des Taylor-Polynoms besteht dann darin, das Polynom pn(x) nicht mit Potenzen von x, sondern mit Potenzen von (x - x0) anzusetzen. Die Gleichheit von Funktionswerte (und Ableitungen) zwischen f(x) und pn(x) wird an der Stelle des Entwicklungspunktes x0 gefordert. Man kann dann erwarten, das bei kleinen Differenzen (x - x0) das Taylor-Polynom eine gute Approximation der Funktion f(x) liefert.
Abbildung 2 zeigt die analogen Schritte (zu Abbildung 1), wie man das Taylor-Polynom zu einem beliebigen Entwicklungspunkt berechnet:
- Die Funktion f(x) muss im Entwicklungspunkt x0 mindestens n-mal differenzierbar sein (siehe Gleichung (1) in Abbildung 2).
- Das Polynom pn(x) wird jetzt als Polynom in den Potenzen von (x - x0) angesetzt (siehe Gleichung (2) in Abbildung 2).
- Die Gleichheiten zwischen Funktionswert (beziehungsweise Ableitung) von f(x) und dem Polynom pn(x) im Entwicklungspunkt (siehe Gleichung (3, 4) in Abbildung 2).
- Die Berechnung der Koeffizienten des Polynoms erfolgt aus den Ableitungen und den Fakultäten (siehe Gleichung (5) in Abbildung 2).
- Das Taylor-Polynom hat dann die identische Gestalt wie im Fall x0 = 0, lediglich anstelle der Potenzen von x treten die Potenzen von (x - x0), siehe Gleichung (6, 7).
Beispiele
Das Taylor-Polynom der Logarithmusfunktion
Die Logarithmusfunktion als Umkehrfunktion der Exponentialfunktion – im Folgenden wird stets der natürliche Logarithmus betrachtet und mit ln x
abgekürzt – ist eine typische transzendente Funktion, deren Funktionswerte im Allgemeinen nicht durch endlich viele Schritte berechnet werden können. Ausnahme ist der Funktionswert und die Ableitungen bei x = 1. Um Näherungen von ln x für beliebige x-Werte zu berechnen, ist es naheliegend, die Logarithmusfunktion um x0 = 1 in ein Taylor-Polynom zu entwickeln.
Berechnung des Taylor-Polynoms des natürlichen Logarithmus
Abbildung 3 zeigt die Vorgehensweise, wie man das Taylor-Polynom zum Entwicklungspunkt x0 = 1 berechnet:
- Man benötigt den Funktionswert und die Ableitungen der Funktion f(x) = ln x an der Stelle x0 = 1 (siehe Gleichungen (1) bis (3) in Abbildung 3).
- Aus den Ableitungen werden die Koeffizienten des Taylor-Polynoms berechnet; der Koeffizient a0 ist gleich null, da ln 1 = 0 (siehe Gleichung (4) in Abbildung 3).
- Das Taylor-Polynom erhält man dann in den Darstellung nach Gleichung (5).
- Mit Hilfe der Substitution z = x - 1 erhält man ein Polynom in z. Wendet man die Substitution auf ln x an, so erhält man die Funktion ln (1 + z), wobei man beachten muss, dass diese Funktion jetzt für z > -1 definiert ist. Das Taylor-Polynom in der Variable z ist in Gleichung (7) und (8) gezeigt.
Graphische Darstellung der Taylor-Polynome
Die Abbildungen 4 bis 6 zeigen die Taylor-Polynome der Logarithmusfunktion (bei Entwicklung um x0 = 1) für die Ordnungen von 0 bis 11. Sämtliche Diagramme sind identisch skaliert, so dass man sie untereinander besser vergleichen kann.
Auffällig ist das Verhalten der Taylor-Polynome bei x = 2: Dort gehen die Polynome schnell gegen +∞ oder -∞, was vermuten lässt, dass der Bereich nicht anwächst, auf dem die Taylor-Polynome eine gute Approximation darstellen, wenn die Ordnung n größer wird.
Das Taylor-Polynom der Wurzelfunktion
Als zweites Beispiel soll die Wurzelfunktion untersucht werden. Mit dem Heron-Verfahren gibt es zwar eine einfache Rekursion, mit der sich Näherungen für Quadratwurzeln sehr schnell berechnen lassen, dennoch soll das Verhalten der Taylor-Approximation untersucht werden. (Eine kurze Erläuterung des Heron-Verfahrens findet sich in Einführung in die Programmiersprache C: Schleifen mit for und while.)
Es wäre dann zum Beispiel interessant, ob die Taylor-Approximation bessere Ergebnisse liefert (besser im Sinne von weniger Rechenaufwand bei gleicher Genauigkeit). Diese Frage wird hier nicht untersucht; es wird lediglich das Taylor-Polynom zum Entwicklungspunkt x0 = 1 berechnet.
Berechnung des Taylor-Polynoms
Die Wurzelfunktion liefert im Allgemeinen irrational Zahlen, die nicht in endlich vielen Rechenschritten berechnet werden können. Da aber die Wurzel aus 1 wiederum gleich 1 ist und alle Ableitungen der Wurzelfunktion an der Stelle 1 rationale Zahlen sind, ist es naheliegend die Wurzelfunktion bei x0 = 1 in ein Taylor-Polynom zu entwickeln und dieses Polynom für Approximationen zu verwenden.
Abbildung 7 zeigt die Vorgehensweise aus Abbildung 2 und 3 angewendet auf die Wurzelfunktion. Die Ableitungen der Wurzelfunktion lassen sich sehr kompakt schreiben, wenn man die fallende Faktorielle P(n, k) in ihrem ersten Argument von den natürlichen Zahlen auf reelle Zahlen verallgemeinert (siehe Gleichung (2)). Damit können auch die Koeffizienten im Taylor-Polynom sehr einfach geschrieben werden (siehe Gleichung (5) und (6) in Abbildung 7).
Darstellung der Taylor-Polynome
Die Abbildungen 8 bis 10 zeigen wieder die Taylor-Polynome der Ordnung 0 bis 11. Man erkennt wiederum, dass die Taylor-Polynome schnell gegen ∞ gehen, wenn x > 2.
Aufgaben
Die Berechnung von ln 2
Man kann das Taylor-Polynom nach Gleichung (5) beziehungsweise (7) in Abbildung 3 für x = 2 beziehungsweise z = 1 auswerten. Erhält man dadurch eine Näherung für ln 2?
Aufgaben zur Wurzelfunktion
- Wie lautet die Taylor-Entwicklung nach Gleichung (6) in Abbildung 8, wenn man wieder die Substitution z = x - 1 vornimmt?
- Kann das Taylor-Polynom der Wurzelfunktion eine Näherung für die Wurzel aus 2 liefern? Wenn ja: Versuchen Sie zu entscheiden, ob das Taylor-Polynom eine bessere Näherung liefert als das Heron-Verfahren.
Die Funktion x → 1/x
Berechnen Sie für die Funktion f(x) = 1/x das Taylor-Polynom pn (n-ten Grades), wobei n eine beliebige natürliche Zahl ist. Als Entwicklungspunkt soll x0 = 1 verwendet werden.
Die folgenden drei Abbildungen 11 bis 13 zeigen wiederum die Taylor-Polynome bis zur Ordnung 11. Diskutieren Sie ihren quantitativen Verlauf.
Auch für die Funktion f(x) = 1/x ist das Verhalten erkennbar, das bei der Logarithmus- und der Wurzelfunktion aufgetreten ist: Hier gehen für x > 2 die Taylor-Polynome sehr schnell gegen unendlich, so dass man keine Konvergenz der Taylor-Polynome gegen f(x) erwarten kann. Zeigen Sie dass für ein festgehaltenes x > 2 die Werte pn(x) für n → ∞ nicht konvergieren.
Zusammenfassung und Ausblick
In Approximation von Funktionen durch Taylor-Polynome: Motivation und einfache Beispiele wurden die Taylor-Polynome zur Exponentialfunktion und zur Kosinusfunktion ausführlich vorgestellt. Dort wurde als Entwicklungspunkt x0 = 0 gewählt.
Hier wurde gezeigt, dass die Taylor-Entwicklung leicht verallgemeinert werden kann zu beliebigen reellen Entwicklungspunkten x0. Der entscheidende Unterschied ist, dass das Taylor-Polynom nicht mehr mit Potenzen von x, sondern mit Potenzen von (x - x0) angesetzt wird (siehe Gleichung (2) in Abbildung 2). Für die Koeffizienten in diesem Polynom gelten dann die analogen Gleichheiten, die auch verwendet wurden, um das Taylor-Polynom zum Entwicklungspunkt x0 = 0 zu berechnen (siehe jeweils Gleichung (5) in Abbildung 1 beziehungsweise 2).
Die Beispiele in diesem Artikel wurden so gewählt, dass sie einen weiteren Aspekt der Taylor-Entwicklung zeigen: Quantitativ zeigen die Darstellungen der Taylor-Polynome (zu Logarithmus- und Wurzelfunktion sowie zu f(x) = 1/x), dass sich der Bereich, in dem das Taylor-Polynom eine gute Approximation liefert nicht mit zunehmender Ordnung n anwächst, sondern ein beschränktes Intervall ist (in den vorgestellten Beispielen jeweils das Intervall von 0 bis 2).
Dies zeigt, dass das Taylor-Polynom einerseits ein wichtiges Hilfsmittel ist (um Näherungswerte von transzendenten Funktionen zu berechnen), andererseits aber große Vorsicht geboten ist. Denn es ist leicht, das Taylor-Polynom zu einer gegebenen Funktion zu berechnen, aber es ist schwer anzugeben, für welche x-Werte das Taylor-Polynom eine gute Approximation der Funktion darstellt. Die oben gezeigten Graphen suggerieren zwar, in welchem Intervall eine gute Approximation zu erwarten ist, aber ein Beweis steht natürlich noch aus. Und speziell die Grenzen dieses Intervalls müssen gesondert untersucht werden.